Ein Perspektivenwechsel:
Wie Kinder die Trennung und die emotionale Entfernung von einem Elternteil erleben.
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Mehr InformationenIch bin die Leonie. Und das sind meine Eltern. Wir lebten zusammen in unserem Haus. Das gehörte meinen Eltern noch bevor es mich gab.
Danach stritten meine Eltern oft. Ich habe mir gewünscht, dass sie sich vertragen.
Aber sie stritten fast nur noch, jeden Tag. Und dann ist Papa ausgezogen. Darüber war ich sehr traurig.
Meine Eltern sagten, dass sie mich beide lieben. Es hat nichts mit mir zu tun, sagten sie.
Aber das ist nicht wahr. Als ich noch in Mamas Bauch war, da habe ich ihr sehr weh getan. Das sagte sie mir. Als ich dann endlich da war, da war Mama sehr lange sehr traurig. Sie konnte nicht schlafen und essen. Sie sagte, Papa hat sie nicht verstanden. Und deshalb war sie oft sauer auf Papa und sie stritten.
Ich glaube, wenn ich nicht da wäre, würden sie nur ganz wenig streiten. Oder gar nicht. Und Papa wäre geblieben.
Papa wohnt jetzt in einer anderen Stadt. Er holt mich an jedem zweiten Freitag ab und dann fahren wir in seine Wohnung.
Mama wünscht mir immer viel Spaß und gibt mir einen Kuss. Aber sie weint dabei und sie drückt mich so fest an sich. Sie sagt, ich soll mir keine Sorgen um sie machen, denn sie ist sehr tapfer. Aber ich möchte, dass meine Mama immer glücklich ist. Mama sagt, sie ist sehr glücklich wenn ich bei ihr bin. Wenn ich weg bin, kann Mama nicht richtig schlafen und essen. Ich möchte deshalb immer bei meiner Mama sein. Mama sagt, wir sind jetzt beste Freundinnen. Sie hat ein Bild gekauft. Das hängt im Wohnzimmer. Darauf sind zwei Einhörner auf einem Regenbogen mit Glitzer. Mama sagt, das sind wir, Mama und ich. Mama sagt, wir brauchen den Papa nicht mehr. Denn Papa hat uns verlassen. Mama weint immer, wenn sie das sagt.
Ich freue mich trotzdem, wenn Papa kommt. Das fühlt sich aber komisch an. Ich bin ein bisschen glücklich und ein bisschen traurig. So wie Papa und Mama. Denn Papa freut sich. Aber Mama ist traurig und dann kann ich mich nicht entscheiden. Ich weiß nicht, ob ich mit Papa gehen soll. Oder bei Mama bleiben. Ich bin dann sauer auf den Papa. Wenn Papa nicht ständig käme, wäre Mama glücklich. Deshalb sage ich ihm oft, dass ich nicht zu ihm möchte. Papa fährt dann wieder weg. Das ist ein bisschen traurig. Aber Mama geht es danach gleich viel besser. Wir machen zusammen etwas Schönes. Im Spiel sind wir verzauberte Einhorn-Prinzessinnen. Mama mag das Spiel am liebsten und lacht dann oft.
Deshalb sage ich oft zu Papa, dass er verschwinden soll.
Ich vermisse Papa. Papa spielte so schön mit mir. Er las mir viele Geschichten vor. Manchmal schlief ich auf Papas Bauch ein. Das war auch schön. Manchmal komme ich doch mit Papa mit. Dann erzähle ich Papa im Auto, dass er böse ist. Ein echter Dreckskerl und ein Verräter. Das sagt Opa immer. Ich sage zu Papa, dass ich ihn hasse. Weil Mama so viel weint. Papa ist dann traurig. Er sagt, dass er mich liebt und für mich da ist. Aber das stimmt nicht. Oma sagt, wenn man jemanden liebt, geht man nicht einfach so weg und lässt seine mittellose Ehefrau und sein kleines Kind im Regen stehen.
Es ist schön und lustig bei Papa. Wir haben viel Spaß. Bei Papa sind jetzt immer Lisa und Merle. Lisa ist Papas Freundin und Merle ist so alt wie ich. Bei Papa haben Merle und ich eine Katze. Sie ist ganz weiß und sie heißt Flocke.
Ich muss Mama immer erzählen, wie es bei Papa war. Früher erzählte ich, dass es schön war. Aber dann weinte Mama wieder. Einmal wurde Mama sauer und sagte, ich soll meinen Kram packen und zu diesem Mistkerl und seiner Schlampe ziehen. Wenn es mir dort so gut gefällt. Das hat mir Angst gemacht. Deshalb erzähle ich jetzt nicht mehr, was ich bei Papa erlebt habe. Dann geht es Mama besser.
Mama sagt, nur sie liebt mich und sie wird mich niemals verlassen. Wenn ich bei Papa wäre, dann würde er vielleicht wieder weggehen. Und ich wäre ganz allein. Mama sagt, Lisa und Papa werden jetzt bestimmt ein Baby bekommen und dann geben sie mich ins Heim.
Deshalb sage ich jetzt, dass es bei Papa ganz doof ist. Und dass ich Lisa hasse. Und dass ich mit Merle nicht spielen möchte. Weil Merle mich an den Haaren zieht. Dass ich ohne Mama nicht schlafen kann. Und essen. Auch keine Pizza. Und dass ich Mama vermisst habe und jeden Tag weinen musste. Mama sagt dann, ihr ging es auch so. Manchmal wünsche ich mir, dass Papa tot wäre. Oder nach Afrika ziehen würde. Dann hätten wir unsere Ruhe.
Mama fragt mich manchmal, ob ich mit Papa telefonieren möchte. Oder ob ich öfter zu Papa möchte. Ich sage dann immer nein. Vor allem, wenn Frau Müller da ist. Frau Müller kommt manchmal und fragt, wie es mir geht. Und ob ich Papa vermisse. Ich sage dann nein. Aber dann muss ich weinen, weil das nicht wahr ist. Das darf ich aber nicht sagen, weil Mama traurig wird. Frau Müller fragt, warum ich weine. Aber ich sage dann nichts.
Frau Müller sagte zu Mama, ich muss zur Ruhe kommen. Deshalb gehen wir bald alle zusammen in ein Haus. Dieses Haus heißt Gericht. Ich muss dort sagen, dass ich nur noch bei Mama sein möchte. Mama sagt, ich muss dann nicht mehr zu Papa. Was Kinder wollen ist immer richtig, sagt Mama. Dafür gibt es das Gericht. Oma sagt, das ist die Strafe für solche Papas. Opa sagt, dass man solche Dreckskerle an die Wand stellen sollte.
Mama sagt, alles wird gut.
So wie bei Tim. Tim geht in meine Klasse. Er lebt bei seinem Papa. Bei Tim ist die Mama weggegangen. Tim hat im Gericht gesagt, dass er nicht mehr zu seiner Mama möchte. Tim ist dann mit seinem Papa in einen tollen Freizeitpark gefahren. Und er hat ein neues Fahrrad bekommen.
Sein Papa ist jetzt glücklich und hat immer gute Laune.
Bei Tim ist jetzt alles gut.
Tim hat keine echte Katze. Nur eine Plüschkatze. Sie heißt Schmusi. Tim liebt Schmusi. Er nimmt sie nachts mit ins Bett und kuschelt mit ihr. Manchmal weint er dann. Am Morgen versteckt er sie. Schmusi wohnt unter Tims Bett. Unter einem alten Handtuch. Dort kann sie niemand sehen. Tim hat Angst, dass sein Papa ihm Schmusi wegnimmt und sie wegschmeißt.
Weil Schmusi von seiner Mama ist.
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Die im Text genannten Personen und Tiere sind frei erfunden. Jegliche etwaige Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.