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“Die gestohlene Zeit” –
Ein entfremdeter Elternteil im Interview
Die
Elternschaft ist mit dem Zeit-Raum-Kontinuum vergleichbar. Mutter und
Vater zu sein, setzt einen mehrdimensionalen, ausdehnbaren, gestaltbaren
Raum voraus, der mit elterlichen Inhalten gefüllt werden kann. Es setzt auch eine fortlaufende, aneinander anknüpfbare Zeit voraus, in der die elterlichen Aufgaben erfüllt werden können.
Eine
Trennung der Eltern muss keine Unterbrechung dieses Kontinuums bedeuten. Die räumliche Nähe und die Zeit, die Eltern und Kinder miteinander verbinden, können nach der
Trennung konsequent in einer neu gestalteten Form fortgesetzt werden.
Vorausgesetzt, beide Elternteile sind sich ihrer Verantwortung dem Kind gegenüber
bewusst respektive fähig, ihre eigenen Baustellen bei Bedarf anzugehen, um
dieser Verantwortung auf eine authentische Art und souverän gerecht zu werden.
Für ca. 30 bis 40 Tausend Kinder jährlich allerdings (Quelle: aktueller Zustandsbericht zur Lage im Familienrecht) wird das elterliche Zeit-Raum-Kontinuum mutwillig unterbrochen. Der Zustandsbericht schildert die zerstörerischen, komplexen Langzeitfolgen der Eltern-Kind-Entfremdung. Früherkennung und
konsequente Handlung der Entscheidungsträger sind mehr denn je gefragt.
Nichts
einfacher als das, könnte man an dieser Stelle sagen, man müsse die Tatsache
eben den Gerichten und anderen Entscheidungsträgern wie Jugendämter,
Verfahrensbeistände, Gutachter*innen etc. rechtzeitig mitteilen.
Ich habe ein Gespräch und ein Interview mit einem Elternteil geführt, der sich bereits seit über 5
Jahren bemüht, das elterliche Zeit-Raum-Kontinuum wiederherzustellen, die Entscheidungsträger für das mittlerweile
komplexe und mit bloßem Auge sichtbare Leiden seines Kindes durch Entfremdung und zahlreiche weitere Missstände zu sensibilisieren. Ein Elternteil, der immer wieder an einem offenbar symbiotischen System scheitert.
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Im Vorgespräch sagten Sie mir, sie seien ein Familienmensch. Wie kommt es,
dass ihre erste Familie in die Brüche gegangen ist?
Das ist eine gute Frage. Ich habe mir diese Frage auch schon oft
gestellt, aber zu einem endgültigen Ergebnis bin ich diesbezüglich nicht gekommen.
Die Probleme, die sich innerhalb der Beziehung ergaben, wurden immer mehr und waren
letztendlich innerhalb der Paarkonstellation nicht mehr zu bewältigen. Nur
Hilfe von außen und der gemeinsame Wille zusammen zu bleiben, hätte
möglicherweise die Beziehung am Leben erhalten. Dies wurde aber von meiner damaligen Frau nicht gewünscht
und besonders von Seiten der Familie meiner Exfrau wurde massiver Druck auf sie und mich ausgeübt, um uns zu trennen.
Das
gemeinsame Kind verbindet zwei Menschen auch über die Trennung hinaus. Auch hier haben wir es mit einem – herausfordernden! – Kontinuum zu tun. An dem
Umgang mit dieser Tatsache kann nämlich nicht zuletzt der Grad der Souveränität der Elternteile und
auch der Grad ihrer Erziehungsfähigkeit erkannt werden. Wie gehen Sie damit um,
mit einem Menschen für immer verbunden zu sein, der Ihr Kind und Sie emotional und seelisch verletzt hat und dies weiterhin tut?
Primär erkenne
ich den ich Ist-Zustand an und versuche, diesen bestmöglich zu gestalten. Am
meisten schmerzt mich, dass das Verhalten meiner ehemaligen Frau gravierende negative Auswirkungen auf unser Kind hat. Für unseren Sohn tut es mir wirklich leid und
ich wünschte mir für ihn ein besseres Leben. Auf der anderen Seite tut es mir
auch für meine Exfrau leid, denn sie war nicht immer so und sie hatte auch ihre
guten Seiten. Dieser hat sie sicherlich teilweise immer noch, aber ein anderer
Teil überwiegt und dies schon seit vielen Jahren. Sie hat sich für diesen Weg
entschieden – ob bewusst oder unbewusst, lässt sich nur schwer sagen. Fakt ist,
dass wir alle darunter zu leiden haben.
Die
Tatsache ein gemeinsames Kind zu haben, verpflichtet zu einem mündigen Umgang
mit der Trennung und vor allem mit den eigenen „Baustellen“, um die Auswirkungen nicht auf das Kind zu übertragen. Oder sehe ich es
zu einfach?
Das sollte so
sein, aber in der Wirklichkeit sieht es leider ganz anders aus. Es ist ein
komplexes Geflecht, welches sich nur mit einem hohen Reflexionsgrad, gutem
Willen und professioneller Unterstützung meistern lässt. Theoretisch erscheinen
viele Dinge ganz einfach, aber praktisch sehen sie oft anders aus. Zumal immer zwei Personen und manchmal noch weitere dazugehören, um die Situation für das
gemeinsame Kind so optimal wie irgendwie möglich zu gestalten.
Ich wünsche
mir für unseren Sohn, dass dies irgendwann einmal möglich sein wird, denn so wie seine Situation momentan ist, sollte kein Kind aufwachsen.
Wie nahmen sie die Unterstützung der örtlich zuständigen
Einrichtungen während und nach der Trennung wahr?
Das für mich damals
zuständige Jugendamt war uns leider keine Hilfe. Im Gegenteil: das passive
und zum Teil widersprüchliche Verhalten der zuständigen Sachbearbeiterin hat teilweise zur Konflikteskalation beigetragen. Es nützt halt wenig, wenn
Standardsprüche geklopft werden, die für die Situation völlig unpassend sind
und letztendlich nur dazu führen, dass der/die Konflikttreiber*in in seinem/ihrem
Verhalten bestärkt wird.
Später hatte ich es mit der Polizei zu tun, als die ersten Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch an
unserem Sohn im Umfeld der Kindesmutter auftauchten. Zuerst versuchte man zu
beschwichtigen, es zu relativieren und als Indizien nicht einfach wegzudiskutieren waren, delegierte man die Arbeit an Beamte eines anderen
Bundeslandes, aus dem die Kindesmutter stammte. Ich bin kein Kriminalist, aber
mein Verstand sagt mir, dass hier nicht angemessen gearbeitet wurde. Fragen,
die sich ergaben und die sich jedem stellen, der von diesem Fall hört, wurden
von den zuständigen Beamten gar nicht oder nur unzureichend gestellt,
geschweige denn beantwortet. Widersprüche die sich aus den Aussagen der
betroffenen Person ergaben, wurden nicht weitergehend untersucht.
Im Laufe der
letzten Jahre hatte ich noch mit etlichen Erziehungsberatungsstellen, Gutachtern,
Verfahrensbeiständen etc. zu tun. Diese waren teilweise bemüht, verfügten aber
nicht über die Kompetenz oder die Mittel, dem Treiben des Umfeldes der
Kindesmutter etwas Adäquates entgegenzusetzen, geschweige denn, es zu beenden.
Die
Mutter des Kindes ist praktisch von einem Tag auf den anderen zurück zu ihren
Eltern in ein anderes Bundesland gezogen und hat das Kind mitgenommen. Wie
hat der Kleine darauf reagiert?
Den Umstand,
dass die Kindesmutter zurück in ihre Heimat gezogen ist, bemängelte ich schon
lange bevor es offiziell wurde. Dies wollte aber keiner hören und die Anwältin
der Kindesmutter wusste genau, wie es diesen Sachverhalt zu verschleiern galt. Am
Anfang war es für den Kleinen sehr schwer und es gibt nach wie vor immer wieder Momente in
denen er traurig ist, dass er nicht an seinem alten Wohnort lebt. Trotz aller Schwierigkeiten
hatte und hat er hier nach wie vor einen festen Freundeskreis und ein stabiles soziales
Umfeld. Natürlich ist für ihn der neue Wohnort auch ein Stück Heimat geworden, zumal
er seit dem Umzug einer permanenten „Gehirnwäsche“ ausgesetzt ist und dies ist
nicht nur auf den Umzug, sondern auch auf meine Person bezogen. Dies macht mich
vor allem für ihn sehr traurig und ich hoffe, dass er irgendwann in der Lage sein
wird, diese Ereignisse für sich zu bewerten und seinen Frieden damit zu finden.
Sie
haben dem Umzug allerdings zugestimmt.
Grundsätzlich war ich gegen den Umzug der Kindesmutter und unseres Sohnes. Es ist
allerdings leider richtig, dass ich diesem Umzug letzten Endes zugestimmt habe. Dies war
aus heutiger Sicht ein Fehler und ich kann anderen Elternteilen nur empfehlen,
egal wie hoch der Druck und wie schlimm die Situation ist, keine Entscheidungen
gegen das eigene Gefühl und Wissen zu treffen.
Am Tag der Verhandlung war die zuständige Sachbearbeiterin vom Jugendamt nicht
bei der Verhandlung erschienen und hatte sich auch nicht entschuldigen lassen.
Nach einigem hin und her sagte der Richter, dass er jetzt eine Entscheidung
treffen müsse. Die Chancen standen wahrscheinlich 50 zu 50, dass mein Sohn zu
mir kommt. Vielleicht sogar ein bisschen besser für mich, aber die Gegenseite
kündigte bereits bei der Verhandlung an aufgrund des Fehlens der zuständigen
Sachbearbeiterin vom Jugendamt vor das OLG zu gehen. Mein Anwalt sagte mir
darauf, dass die Gegenseite aufgrund des Fehlens der Sachbearbeiterin vom
Jugendamt gute Chancen hätte, diese Entscheidung vorm OLG zu kippen und Sinne der Kindesmutter zu
entscheiden. Der Richter bot mir an, dass ich mehr Zeit mit meinem Sohn
verbringen könnte und mein Anwalt riet mir, dass ich darauf eingehen sollte. Er
sagte, dass die Möglichkeit bestehen würde, dass die Kindesmutter sich in ihrem
ursprünglichen sozialen Umfeld stabilisieren würde und damit die Beziehung zu
mir normaler werden könnte, also stimmte ich mit großen Bedenken zu.
Das Angebot klingt für mich recht vernünftig für Ihr Kind und Sie. Mehr Zeit mit dem Kind,
entspannteres Miteinander. Wurde es erfüllt?
Das Gegenteil passierte.
Mein Sohn wurde immer mehr manipuliert und geschädigt. Ich wurde immer mehr aus
dem Leben meines Sohnes ausgegrenzt. Dieser Prozess hält bis heute an und ich
hoffe, dass dieser Albtraum bald für uns alle ein gutes Ende haben wird.
So
wie Sie es schildern, kann hier nicht von Bindungstoleranz der Mutter gesprochen
werden, geschweige denn von Bindungsförderung. Für das Kind kann es mit der Zeit verheerend sein. Wie geht es Ihrem Sohn jetzt?
Das ist schwer
zu beantworten, wahrscheinlich könnte er es selbst noch nicht einmal richtig beantworten.
Ich beobachte oft, dass er sehr traurig, enttäuscht, introvertiert und wütend
ist. Ich sehe es daran, wie er mit mir spricht, wie er sich zur anderen verhält
und was er spielt. Es gibt aber auch Momente an denen er gut drauf ist und da
habe ich den Hauch einer Ahnung, wie es für ihn sein könnte, wenn er in einer konfliktfreien
und liebevolleren Umwelt aufwachsen könnte.
Er ist mein
Sohn und ich liebe ihn, es bricht mir das Herz, wenn ich ihn so traurig und
niedergeschlagen sehe. Mein Sohn hat etwas Besseres verdient. Jedes Kind, das
so aufwächst, hat etwas Besseres verdient. Kinder sollten um ihrer selbst willen
geliebt werden und nicht, weil sie einen bestimmten Zweck erfüllen.
Es
erweckt den Eindruck, als wäre der Handlungsbedarf nach wie vor enorm – auf diversen
Ebenen und möglichst eher gestern als heute. Wie erleben Sie die unterstützende Tätigkeit der Ämter und
Behörden, die aktuell für das Wohl ihres Kindes zuständig sind?
Es gibt
sicherlich Ämter und Entscheidungsträger, die sich für das Wohl des Kindes
einsetzen und gute Arbeit leisten. Mein Sohn und ich hatten leider nicht dieses
Glück, zumindest nicht bisher. Ich kann nicht genau sagen, woran das liegt,
aber die Tendenz scheint schon dahinzugehen, dass die zuständigen Institutionen
mit der Komplexität des Sachverhaltes überfordert sind. Es scheint leichter zu
sein, eine Lüge zu glauben, die man schon tausendmal gehört hat, anstatt die
Akten zu wälzen und Widersprüche sowie Falschaussagen aufzudecken. Es scheint
aber weder der Wille bzw. die Kompetenz noch die personale Ausstattung dafür
vorhanden zu sein. Dies ist bitter – ganz besonders für mein Kind und andere betroffene Kinder.
Es klingt wie ein böser Traum.
Immer wieder
habe ich erlebt, dass ich dachte, dies kann alles nicht wahr sein, aber es
ist wahr. Als ganz besonders negativ habe ich das erste zuständige Jugendamt
erlebt und die jetzige Verfahrensbeiständin des Kindes. Die zwar immer behauptet, parteiisch für das Kind zu sein, aber letztendlich nur für die Kindesmutter
Partei ergreift, so absurd deren Aussagen auch sein mögen. Dies schmerzt und
trotzdem mache ich weiter, weil ich an das Gute glaube und ich will, dass sich
etwas zum Besseren für meinen Sohn und mich sowie alle anderen Beteiligten
wendet.
Der Wechsel des Wohnortes des Kindes zum anderen Elternteil eröffnet in solchen Fällen häufig die Möglichkeit, für die Bedürfnisse des Kindes entsprechend zu sorgen, darunter für die
Bindungstoleranz und die Bindungsförderung, die essentielle Bestandteile des elterlichen Zeit-Raum-Kontinuums sind. Wie sehen es die Entscheidungsträger in Ihrem Fall?
Die tun sich
schwer mit dieser Entscheidung und oft habe ich das Gefühl, sie wollen auch
keine Verantwortung übernehmen, stattdessen lieber etwas laufen lassen und hoffen, dass es
irgendwie gut geht. Meiner Meinung nach ist das ein Trugschluss und fatal für
die Entwicklung meines Sohnes.
Klingt
nach einem System, in dem eine Hand die andere wäscht. Angst vor
Gesichtsverlust – oder wie würden Sie dies deuten?
Ja, diese
Aussage kann ich nur unterstützen. Es ist wahrscheinlich nicht nur der drohende
Gesichtsverlust, sondern auch die Infragestellung der eigenen bisherigen
Arbeit, Überzeugung und Selbstbildes. In Zeiten wie diesen scheinen sich die
Leute noch schwerer damit zu tun als sonst. Die wirklichen Beweggründe der
Entscheidungsträger kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen und sie
haben so rein gar nichts mit dem Kindeswohl zu tun, auch wenn dieses immer
gebetsmühlenartig behauptet wird.
Ich
arbeite zum Teil auch mit Erwachsenen, die in ihrer Kindheit Opfer der Entfremdung und des maroden Familienrechtssystems geworden sind. Es sind teilweise Menschen mit komplexen
psychischen, emotionalen und sozialen Defiziten, die von sich selbst
sagen, dass es für sie keinen Platz in der Gesellschaft oder gar in der Welt gebe.
Sie fühlen sich nirgendwo vollständig zugehörig, weil sie schon in der frühen Kindheit
gezwungen wurden, einen Teil ihrer Identität – also einen Elternteil – zu verleugnen, abzulehnen, zu hassen. Denken
Sie, dass dies auch die Zukunft Ihres Sohnes sein könnte?
Ja, das
befürchte ich und dass er auch an der Bürde dieser Last zerbrechen könnte. Mein
Sohn soll sich geliebt fühlen, er soll beide Eltern lieben dürfen und sich bestmöglich entwickeln können.
Aus unserem Gespräch geht hervor, dass Ihre Bemühungen, das elterliche Zeit-Raum-Kontinuum wiederherzustellen,
allesamt von allen Seiten unterbunden, ignoriert, bagatellisiert oder bewusst torpediert werden. David gegen Goliath. Warum geben Sie nicht einfach auf, in der Hoffnung, dass (ich bediene mich hier bewusst einer
typisch jugendamtlichen Floskel) „Alles erst einmal zur Ruhe kommt“?
Ich denke und
fühle, dass wenn man sein Kind liebt und von einem moralischen Wert überzeugt
ist, dann muss man dafür kämpfen, denn es gilt hier nicht nur, für das eigene Kind
und sich selbst zu kämpfen, sondern auch für einen universellen Wert, ein
Menschenrecht, welches es zu verteidigen gilt.
Was sollte ich
sonst meinem Sohn in 20 Jahren sagen, wenn er mich fragt: „Papa, warum hast du
aufgegeben, hast du mich nicht genug geliebt, war ich es dir nicht wert? Weißt
du, was mit mir noch alles geschehen ist, nachdem du aufgegeben hast? Warum hast du
mich zurückgelassen?“
Ich liebe meinen
Sohn und ich werde alles dafür tun, dass er unter besseren Umständen aufwächst
und dass er weiß, dass ich mein Mögliches für ihn tue.
Ich kann mir trotzdem vorstellen, dass viele Elternteile an einen Punkt gelangen, an dem sie keine Kraft mehr haben. Es ist nachgewiesen (siehe
Bericht Papa Mama Auch e.V.), dass Eltern-Kind-Entfremdung auch für die
betroffenen Eltern zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen führen kann. Was würden
Sie gern anderen Elternteilen sagen, die im Begriff sind, das Handtuch zu werfen?
Liebe Eltern,
die für ihr Kind da sein wollt und dies nicht dürft, weil der andere Elternteil
zu egoistisch ist und nicht die Interessen des Kindes sehen kann, macht weiter,
tut es für euer Kind/er und ich bin mir relativ sicher, dass euer Kind es euch
eines Tages danken wird oder, dass ihr zu mindestens im Reinen mit euch seid.
Ich habe auch
oft gedacht, aufzugeben, doch dann habe ich Dankbarkeit meines Sohnes in seine
Augen in seinen Worten und seinen Taten gesehen. Dies hat mich immer beflügelt
weiterzumachen und dann sagte ich zu mir: „Ich bin nicht so weit gekommen, um
jetzt aufzugeben, aufgeben ist keine Option, ich mache weiter, bis es eines
Tages besser wird!“
Auch wenn es
vielleicht naiv klingt, aber ich bin der festen Überzeugung, dass eines Tages
alles gut wird.
Zum
Schluss eine Frage zum Titel meines Interviews – ich war mir nicht sicher, ob
er nicht zu melodramatisch ist. „Die gestohlene Zeit“ – Was halten sie von diesem
Titel?
Ich finde den Titel sehr gut und er zeigt in einer
besonderen Weise, was noch offen bleibt, auch dann, wenn alle anderen Sachen sich zum Guten wenden sollten. Denn verpasste Zeit ist das, was
einem keiner wiedergeben kann. Das sind die Augenblicke, die man mit seinem
Kind nicht erleben durfte und die man gerne mit ihm verbracht hätte. Diese
Momente werden auch nie wieder zurückkommen, egal wie gut es in der Zukunft
auch sein wird.
Beteiligten und den Entscheidungsträgern gestohlen. Das lässt sich auch nicht
wieder gutmachen, denn diese Zeit ist für immer verloren.
Danke für das Gespräch.
Der hier interviewte Vater hat mir kürzlich berichtet, dass die Gerichtsverhandlung, in der das Sorgerecht verhandelt werden sollte, wieder abgesagt worden sei. Abgesagt. Nicht vertagt, denn einen neuen Termin gebe es nicht, sondern einfach abgesagt. Das “wieder abgesagt” sei mittlerweile zur Regel geworden, denn nahezu keine der bisherigen Verhandlungen in den vergangenen 5 Jahren habe zum ursprünglich vereinbarten Termin stattgefunden. Immer ereignete sich etwas – auffälligerweise stets bei der Gegenseite, zu der auch die Verfahrensbeiständin zähle – was die Verhandlung um bestenfalls einige Wochen oder schlimmstenfalls um mehrere Monate verzögerte. Diesmal wurde Corona als Vorwand hervorgeholt, was insofern offensichtlich absurd sei, weil die Auffassung der Gegenseite von Corona bisher eher im Bereich: “Ist doch nur eine Grippe” gelegen habe. Ein Spiel auf Zeit, in der Hoffnung, der Vater würde aufgeben. Eine frühere Anwältin des Vaters habe es ihm bereits vor Jahren prophezeit. Gegen solche festgefahrenen Systeme komme man nicht an, sagte sie – insbesondere in der Konstellation Ost-West. Zusammenhalt und Lokalpatriotismus würden in manchen Regionen eben über dem Gesetz stehen.
Das Kind, das mittlerweile eingeschult worden ist und in der Schule sofort zum gemobbten Außenseiter wurde, gesundheitlich, emotional und körperlich sichtbar beeinträchtigt ist und zahlreiche psychische und psychosomatische Auffälligkeiten zeigt, scheint dem System völlig gleichgültig zu sein. Die Verfahrensbeiständin spiele der Kindesmutter in die Hand, die wiederum seit Jahren nicht in der Lage sei, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen, einzuschätzen und entsprechend konsequent zu behandeln. Die gesundheitlichen Symptome des Kindes, die teilweise auf einen Geburtsfehler zurückzuführen sind und sich mittlerweile verschlimmert haben, verschweige oder verharmlose die Kindesmutter vorzugsweise in der Öffentlichkeit. Es sei für sie und ihre Familie beschämend, ein beeinträchtigtes Kind zu haben. Die Verfahrensbeiständin mache mit, sie stelle die mittlerweile sichtbaren Beeinträchtigungen als Phasen dar, aus denen das Kind schon “von selbst” herauswachsen werde. Die Symptome habe sie zwar im direkten Gespräch mit dem Vater thematisiert, in der vorherigen Verhandlungen jedoch verschwiegen oder – wenn vom Vater angesprochen – bagatellisiert oder schlicht und einfach verneint, je darüber gesprochen zu haben.
Die Bemühungen des Vaters, das Kind gesundheitlich und emotional zu versorgen, es in der Schule zu unterstützen, würden ins Leere laufen. Die Mutter erteile keine Informationen, die offenbar entsprechend gebrieften Ärzte verweigern die Auskunft.
Ein Mitarbeiter des Jugendamtes hielt den Atem an, als er Fotos der blauen Flecken am Körper des Kindes sah. Das Jugendamt sehe keinen Handlungsbedarf, hieß es allerdings im Nachhinein. Dem Gutachter seien die Haltungssschäden und die Ticks des Kindes nicht aufgefallen, der Junge sei völlig normal entwickelt, hieß es auch im familienpsychologischen Gutachten. Einige Wochen zuvor jedoch, im Gespräch mit dem Vater, habe der Gutachter mit theatralisch betroffenem Gesichtausdruck sich die Sorgen des Vaters um die physische und seelische Gesundheit seines Kindes angehört, Notizen gemacht, besorgt genickt.
Schon eigenartig, wenn die Entscheidungsträger offenbar allesamt an einer selektiven Blindheit respektive Erinnerungslücken leiden, die immer dann auftreten, wenn es darum geht, anhand ihrer Arbeit offizielle Entscheidungen zu treffen.
Eine Umgangsregelung gebe es nach wie vor nicht. Nach dem Kindesentzug über mehrere Monate habe die Mutter das ihr drohende Ordnungsgeld gegen eine “Willenserklärung” eingetauscht, dass sie die Umgänge fördern werde. Dass die Willenserklärung nicht einmal das Papier wert sei, auf dem sie geschrieben worden sei, war eher vorhersehbar. Der Umgang werde nach wie vor torpediert, die Kontakte erschwert. Das Gericht wisse Bescheid und tue – nichts. Es habe den Tausch abgesegnet, obwohl die Kindemutter mit dem Kindesentzug gegen einen gültigen Gerichtsbeschluss dieses Gerichts verstoßen habe. Sie habe keinerlei Konsequenzen tragen müssen und dürfe ihr Prozedere fortsetzen. Angesichts der bisherigen Umgangsboykotts erscheine es nicht nachvollziehbar, warum das Gericht die Umgänge nicht klar geregelt und das Ordnungsgeld verhängt habe, außer, man lasse tatsächlich den Gedanken zu, das Ganze sei mittels Vitamin B von vorn herein abgekartet und beschlossen worden.
Jetzt werde auf Zeit gespielt.
Corona mache es möglich, dieselbe Corona, die ansonsten “nur eine Grippe” gewesen sei. Corona und die Vetternwirtschaft einer ostdeutschen Stadt, in der offenbar die lokale Loyalität und Beziehungen aus der guten alten Zeit über dem Gesetz stehen.
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